Der Stadtacker wurde filmisch eingefangen! Und gleich mal ein Save the date: Am 1. Juni findet die große Filmvorführung für die Öffentlichkeit statt. Unsere Mitglieder Rafael und Sandra haben die „Ackerdoku 2023“ gedreht, um unser Gemeinschaftsgartenprojekt vor dem Umzug in seiner bis dato gewachsenen Form zu dokumentieren. Der Film erzählt die Entstehungsgeschichte des Stadtackers, der seinen Ursprung auf einem Festival in den Wagenhallen hat. Was macht ihn heute so besonders, welche Menschen haben ihn geprägt und was läuft so alles im Laufe des Jahres? Die Doku endet mit einen Ausblick auf das künftige Erscheinungsbild des Stadtackers und seine Rolle im geplanten Rosensteinviertel.
Wer den Film noch nicht gesehen hat und nicht am 1. Juni vorbei kommen kann, kann ihn sich auf YouTube anschauen:
Interview
Patrick: Hallo Rafa, hallo Sandra! Wir sprechen heute, weil ihr eine phänomenale Ackerdoku 2023 gedreht habt. Ich freue mich auf einen Blick hinter die Kulissen mit euch. Aber zunächst, stellt euch doch kurz vor.
Rafael: Hallo erst mal! Ich wohne hier im Norden seit über 20 Jahren, habe aber tatsächlich den Stadtacker erst 2020/21 für mich entdeckt. Aber jetzt bin ich da (lacht). Meine Intention ist der Umweltschutz, Stichwort Schwammstadt, sowie lokale Nahrungsmittelproduktion und im eigenen Stadtbezirk einen Ort zu haben, der einen Kontrast zum urbanen Grau darstellt, wie das Europaviertel rund ums Milaneo. Bei uns ist sehr vieles noch unberührte Natur.
Sandra: Hi, ich bin Sandra und seit September 2022 am Stadtacker. Ich habe schon lange mit Urban Gardening geliebäugelt. Mit meinem Umzug nach Stuttgart hat mich der Stadtacker als grüne Oase total begeistert. Die Gemeinschaft dort, größtenteils Menschen, die im Nordbahnhofviertel wohnen, ist wie eine Familie, die für einander da ist. Nahrungsmittel anbauen und zuzubereiten, ist einfach toll. Und die Meerschweinchen am Acker, natürlich (lacht).
Patrick: Wie kommt man als eher frischere Mitglieder dazu, eine so umfassende Doku zu drehen?
Sandra: Für mich war das eine Möglichkeit, auch die Vorgeschichte entdecken zu können. Als ich neu beim Acker war, war das erste Thema quasi der Umzug wegen des Rosenstein Quartiers. Und dass der Stadtacker nicht mehr so sein wird, wie er ist. Das hat ein großes Interesse geweckt bei mir: was ist die 10, 12 Jahre passiert? Was macht diesen Ort aus?
Rafael: Bei mir war es so, dass ich während meiner Aktivität am Stadtacker die ganze Zeit über einen gewissen Transformationsprozess beobachtet habe. Ständig Veränderung, es wurde aufgebaut, und abgebaut. Aber aufgrund des anstehenden Umzugs ist diese Transformation eher abfließend, es verschwindet immer. Und dann für immer. Wir wollten den Ursprungszustand des Stadtackers so gut es geht zu konservieren.
Das andere war, es gab so einige Legenden hier, wie zum Beispiel Bernhards Hütte oder die Trauerweide. Menschen dazu zu befragen, wie war das eigentlich damals.
Sandra: Ja, genau, die Trauerweide. Das war für uns wie ein Mythos! Ich hatte viel davon gehört, von diesem zentralen Ort. Dann die Fotos dazu heraus zu kramen und mehr darüber herauszufinden war schon faszinierend.
Patrick: Was erwartet ihr, könnte die Doku bewirken, vielleicht über die Funktion des Konservierens hinaus?
Sandra: Ich hab da schon was gemerkt. Als ich den Film FreundInnen gezeigt habe, sind da wahnsinnige Emotionen hochgekommen. Ein Freund hat sich als totaler Urban Garndening-Fan entpuppt und war begeistert von dem Film. Vor allem seine Neugier: wie geht es weiter mit dem Acker, und ob wir mit dem Film nicht um mehr Unterstützung bei der Politik werben könnten, da wir ja sozial schon sehr viel für das Nordbahnofviertel tun… Ich kann mir vorstellen, dass der Film eine emotionale Kraft hat, auf uns mehr aufmerksam zu machen.
Patrick: Habt ihr das Gefühl, das Doku-Projekt hat euch nicht nur den Acker mit neuen Augen sehen lassen, sondern auch eure MitackerInnen und andere Involvierte?
Rafael: Ja, ich habe das Engagement des Vereins in anderer Dimension wahrgenommen. Durch die Doku und die vielen Eindrücke seit seiner Gründung, ist mir mehr und mehr bewusst geworden, wie vielfältig der Gemeinschaftsgarten für das Viertel wirkt. Und wieviel Arbeit nachhaltiges Anbauen bedeutet. Aber auch, was es organisatorisch bedeutet, so einen Verein am Laufen zu halten.
Sandra: Ich habe auch realisiert, wie viele Menschen den Stadtacker geprägt haben. Manche habe ich auch ab und an getroffen oder nicht erkannt. Heute weiß ich, welche schönen Geschichten hinter manchen stecken. Zum Beispiel Pilar, die ja die Küche mitentwickelt hat. Oder der Künstler und Landschaftsgärtner Thomas Putze. Viele, von denen ich nur gehört habe. Nun verbinde ich die Menschen und ihr Wissen viel stärker mit dem Stadtacker.
Patrick: Gab es beim Filmen besondere Überraschungen, Eindrücke, Anekdoten?
Rafael: Als ich Deborah bei ihren Bienen interviewt habe. Das war klasse, dieses Geben und Nehmen. Man gibt den Bienen ein Zuhause, die Bienen widmen sich den Pflanzen, und wir haben am Ende köstlichen Honig.
Patrick: Und dir, Sandra, haben es die Meerschweinchen angetan, wie du meintest…
Sandra: Klar, als ehemalige Meerschweinchenbesitzerin schaue ich sie mir immer sehr gerne an.
Rafael: …aber auch für den Acker allgemein sind sie ein toller Magnet, nicht nur für Kinder. Wir haben ja überwiegend Pflanzen, kaum Tiere. Ab und an sieht man sogar Besucher der Wagenhallen oder der Container City nach einer durchtanzten Nacht auf dem Heimweg bei den Meerschweinchen noch entspannen.
Sandra: Ich glaube, es ist die schöne Mischung aus Pflanzenwelt, die Tiere am Boden und in der Luft, und die Menschen hier, natürlich.
Patrick: Wie seid ihr an die Erstellung des Films herangegangen. Fest nach Konzept oder auch mal spontaner?
Sandra: Ein Mix aus beidem. Wir haben ein Drehbuch entwickelt, um eine Übersicht der Themen zu erhalten und Story-mäßig den Ablauf zu planen. Aber wir waren auch flexibel, um manchmal die Inhalte so zu schaffen, wie es gerade passt.
Rafael: Ich bin überrascht gewesen, dass alles so gut geklappt hat. Wir haben uns am Rahmen des Drehbuchs richtig gut entlang gehangelt. Fast alles ist umgesetzt worden, und alle Leute haben super mitgemacht. Ich hatte Bedenken, wer sich vor der Kamera wohl fühlt. Aber alle haben sich gefreut und toll mitgemacht.
Wir hatten bei Interviews eine Anfangsfrage, danach haben wir es laufen gelassen. Und ja, lief! (lacht)
Sandra: Bei der Planung der Interviews hatten wir ursprünglich eine Diskussion. Du wolltest ein engeres Skript für die Interviewten, ich dachte, es wird dann schon sprudeln. Also ist es ein Gesamtwerk geworden, weil wir vorab strukturiert haben, aber auch die oder der Interviewte Themen ein einbringen konnte, die vielleicht nicht geplant waren, sich aber super ergänzt haben.
Patrick: Jetzt eine etwas überraschende Frage! Oder auch nicht, wir sind ja ein Gemeinschaftsgarten: wie nachhaltig war eure Technik?
Rafael: Jaaa (lacht), also! Der Film sollte mit einfachsten Mitteln entstehen. Wir haben vorhandenes/geliehenes Equipment benutzt, hauptsächlich nur mit einem Handy gefilmt und auf Spezialeffekte, wie Beleuchtung verzichtet. Mir war auch wichtig, in sommerlichen Monaten zu drehen, wenn der Stadtacker seine volle Schönheit entfaltet. Es sollte alles so wie es ist dokumentiert werden. Achso, alle Darsteller waren aus der Gegend, mussten also nicht anreisen, die Akkus für die Geräte sowie der gesamte Filmschnitt am Laptop wurde mit eigenem Solarstrom geladen!
Sandra: Und grüne Inhalte, natürlich! (alle lachen)
Patrick: Habt ihr schon eine Idee für eine Vorführung der Doku am Acker?
Rafael: „Die Ackerdoku kehrt heim.“ Klar, im Sommer, mit allen, die beim Film mitgewirkt haben, aber auch darüber hinaus.
Sandra: Mehr Öffentlichkeit einladen. Und weiterstrahlen. Über dielokale Bühne hinaus… Auf YouTube haben auch alle Interessierte die Möglichkeit, den Stadtacker kennenzulernen. Sogar barrierearm mit Untertiteln.
Patrick: Was wünscht ihr euch als Doku-Team des Stadtackers für seine Zukunft?
Sandra: Ich wünsche mir, dass die Seele des Ackers, so wie wir sie in der Doku eingefangen haben, auch auf dem neuen Gelände weiterleben kann. Angereichert mit neuen NachbarInnen und anderen Möglichkeiten, das Viertel zu gestalten.
Rafael: Der Stadtacker hat mit seinem Wirken eine Vorbildfunktion. Für Nachhaltigkeit und Gemeinschaft. Ich wünsche mir, dass mehr solche humanen und naturnahen Projekte in zugebauten Stadtteilen wachsen. Wie beispielsweise unsere Kooperation mit der LBG zu Innenhofbeeten.
Patrick: Vielen Dank für den Austausch, durch den man eure tolle Doku vielleicht auch noch mit anderen Augen sieht. Wir freuen uns alle auf die öffentliche Premiere am 1. Juni zum Sommerfest auf dem Stadtacker!